Ein grauer Januarmorgen liegt über Osborne House. Diener eilen lautlos durch die Gänge, während draußen die Wellen gegen die Felsen schlagen. Hinter schweren Vorhängen sitzt Königin Victoria, erschöpft, aber würdevoll, ihr Blick auf einen Punkt in der Ferne gerichtet. Wenige Stunden später wird die Nachricht hinausgehen – die Monarchin, die ein ganzes Zeitalter prägte, ist gestorben. 125 Jahre sind seither vergangen.
Victoria prägte eine ganze Epoche und war mächtiger als alle Herrscher dieser Welt. Ihr Reich umspannt weite Teile unseres Planeten und zu ihrer Familie zählen unter anderem Kaiser und Zaren. Sie ist nicht nur eine imposante Herrscherin für mehr als 63 Jahre, sondern auch eine erfolgreiche Mutter.
Geboren am 24. Mai 1819 kommt Alexandrina Victoria von Kent in London zur Welt. Ihr Vater Herzog Eduard von Kent verstirbt, als Victoria gerade einmal acht Monate alt ist. Aus diesem Grund wächst die zukünftige Monarchin behütet mit ihrer Mutter Mary Louis Victoria von Sachsen-Coburg-Saalfeld und ihrer Gouvernante Baroness Lehzen auf. Von adliger Abstammung, genießt das lebensfrohe Kind eine gute Schule. „Ich bin dem Thron näher, als ich dachte“, sagt sie und die willensstarke Victoria hängt daraufhin die viel zitierten Worte dran „I will be good“, zu Deutsch „Ich werde gut sein.“
Die Chancen, dass Victoria tatsächlich einmal Königin des britischen Imperiums werden kann, werden anfangs als unwahrscheinlich eingestuft. Ihr Vater Prinz Eduard war lediglich der Vierte in der Thronfolge. Das Schicksal wollte es jedoch anders. Es tritt das ein, was viele überrascht: Am 28. Juni 1838 findet schließlich Victorias Krönung statt. Die gerade einmal 18-jährige Königin mit der plötzlich gewonnen Verantwortung und Macht schreibt in ihr Tagebuch: „Ich kann nicht sagen, wie stolz ich mich fühle, Königin einer solchen Nation zu sein. Ich werde an diesen Tag stets als den stolzesten meines Lebens zurückdenken.“
Queen Victoria nimmt ihre Rolle sehr ernst. Sie hat enge Berater, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen, unter anderem der damalige Premierminister Lord Melbourne. Auch ihre Gouvernante bleibt weiterhin eine enge Vertraute. Und dennoch, eine bestimmte Person an ihrer Seite fehlt. Diese ganz besondere Person, ihr Gegenstück, findet sie schnell in Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha. Sie ist überglücklich, als sie Albert den Heiratsantrag macht und schafft etwas, was viele Königshäuser weltweit nicht vollbringen: eine Liebesheirat im Februar 1840. Sie führen eine überaus glückliche Ehe aus der neun Kinder hervorgehen.
Großbritannien erreicht im 19. Jahrhundert den wirtschaftlichen und politischen Zenit. Victoria herrscht über Kolonien in Afrika bis hin nach Asien und die Mittel- und Oberschichten in Großbritannien erleben eine beispiellose Blütezeit. Damit prägt die Königin eine neue Ära: das Victorianische Zeitalter. Mit ihrer dickköpfigen sowie energischen Art verliert sie über die Jahre einige Sympathien, erntet jedoch gleichzeitig enormen Respekt, treibt den industriellen Fortschritt an und steuert geschickt ihre Kriege. Mit Unterstützung des Premierministers Benjamin Disraeli lässt sich Königin Victoria am 1. Mai 1876 zur „Kaiserin von Indien“ erheben.
Doch das Glück soll nicht ewig anhalten. Mit lediglich 42 Jahren erliegt ihr geliebter Prinz Albert dem Typhus. Die Herrscherin verfällt in tiefe Trauer und verzichtet für zwölf Jahre fast völlig auf öffentliche Auftritte und lebt zurückgezogen. Sie wird bekannt als die „Witwe von Windsor“, die für den Rest ihres Lebens fast ausschließlich schwarze Trauerkleidung trägt. Lediglich ihr Diener John Brown und Benjamin Disraeli geben ihr in dieser Zeit den nötigen Halt und schaffen es, sie wieder ins Leben zurückzuholen.
Königin Victoria kommt stärker denn je aus der Trauer hervor. Die Zeit von 1887, dem goldenen Thronjubiläum, bis 1897, dem diamantenen Thronjubiläum, sind die Höhepunkte ihrer langen Herrschaft. In dieser Zeit verheiratet die Kaiserin von Indien sehr geschickt ihre Kinder in verschiedene Kaiser- und Königshäuser in Europa, so auch nach Deutschland, Russland, Rumänien und Dänemark. Mit ihren neun Kindern und 42 Enkelkindern wird sie bis heute respektvoll „Großmutter Europas“ genannt. Diesen Abschnitt ihres Lebens genießt sie sehr. Am 22. Januar 1901, im Alter von 81 Jahren, findet die Monarchin ihre letzte Ruhe neben ihrem geliebten Gemahl im Schloss Windsor.
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